Während Urlaubszeit für viele von uns Entspannung bedeutet, kann der Gedanke an Urlaub für pflegende Angehörige zu einer Zerreißprobe werden. Die Sehnsucht und der Bedarf nach Erholung wächst, aber die Verantwortung der Pflege lastet schwer auf ihren Schultern.
Aber was passiert, wenn pflegende Angehörige eine dringend benötigte Pause brauchen? Genau hier kommt die Verhinderungspflege ins Spiel. Sie ist eine Unterstützung für pflegende Angehörige, die es ermöglicht, für eine Weile Abstand zu gewinnen, ohne sich schuldig zu fühlen.
Wir erklären Ihnen, wer Verhinderungspflege in Anspruch nehmen kann, wie Sie die Verhinderungspflege voll ausschöpfen und beantragen - auch rückwirkend und welche Leistungen sie umfasst.
Das Wichtigste in Kürze:
- Anspruch auf Verhinderungspflege haben alle Personen mit Pflegegrad 2 bis 5, die zu Hause gepflegt werden.
- Verhinderungspflege ist auf maximal 6 Wochen pro Jahr begrenzt.
- Die Leistungen können stundenweise oder am Stück in Anspruch genommen werden / Verhinderungspflege kann stunden-, tage oder wochenweise flexibel eingesetzt werden.
- Die Höhe richtet sich danach, ob Familienmitglieder oder Pflegekräfte die Vertretung übernehmen.
- Bis zu 1.612 € stehen jährlich zur Verfügung.
- Die Hälfte des Pflegegelds wird während der Verhinderungspflege weiter gezahlt.
- Verhinderungspflege kann auch rückwirkend beantragt werden.
Definition: Was ist Verhinderungspflege (Ersatzpflege)?
Verhinderungspflege, auch unter dem Begriff Ersatzpflege bekannt, ist eine Leistung der gesetzlichen Pflegeversicherung in Deutschland. Ihr Hauptziel besteht darin, pflegende Angehörige zu entlasten. Dies geschieht, indem sie ihnen ermöglicht, zeitweise von der Pflege zurückzutreten, ohne die Versorgung der pflegebedürftigen Person zu gefährden. Die Verhinderungspflege wird immer dann aktiviert, wenn die primäre Pflegeperson aus verschiedenen Gründen, wie beispielsweise Urlaub, Krankheit oder eigenen Verpflichtungen, verhindert ist.
Die rechtlichen Grundlagen für die Verhinderungspflege sind im Elften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XI) § 39 festgelegt: "Wenn eine Pflegeperson aufgrund von Erholungsurlaub, Krankheit oder anderen Umständen an der Pflege gehindert ist, trägt die Pflegekasse die nachgewiesenen Kosten für eine notwendige Ersatzpflege, und das für maximal sechs Wochen pro Kalenderjahr."
Wer hat Anspruch auf Verhinderungspflege?
Berechtigt zur Inanspruchnahme von Verhinderungspflege sind in erster Linie pflegende Angehörige, die sich um eine Person mit einem anerkannten Pflegegrad in ihrem eigenen Zuhause kümmern. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um unmittelbare Familienmitglieder wie Ehepartner, Kinder oder Eltern handelt, oder um nahestehende Personen wie Geschwister oder enge Freunde.
Um den Anspruch auf Verhinderungspflege zu erfüllen, müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein:
- Pflegebedürftigkeit: Die zu pflegende Person muss über einen anerkannten Pflegegrad verfügen. Die Einstufung in einen Pflegegrad erfolgt durch den Medizinischen Dienst (MD) bei gesetzlich Versicherten. Bei Privatversicherten ist die Firma MEDICPRROF zuständig.
- Pflegende Person: Die Pflege wird regelmäßig von einer ehrenamtlichen Person erbracht. Diese ehrenamtliche Person kann ein Verwandter, Freund oder Nachbar sein. Personen, die ausschließlich von einem professionellen Pflegedienst versorgt werden, haben keinen Anspruch auf Verhinderungspflege. Dies liegt daran, dass der Pflegedienst für seine Dienste entlohnt wird und somit keinen Anspruch auf Verhinderungspflege auslöst.
- Vorherige Pflegeleistung: Die pflegende Person muss die Pflege bereits seit mindestens sechs Monaten in erheblichem Umfang erbracht haben. Es muss eine nachweisbare, kontinuierliche Pflegetätigkeit über diesen Zeitraum hinweg gegeben haben.
- Verhinderung der Pflegeperson: Die Pflegeperson muss vorübergehend an der Pflege gehindert sein, beispielsweise aufgrund von Krankheit, Urlaub oder anderer wichtiger Verpflichtungen.
Es ist zu betonen, dass der Anspruch auf Verhinderungspflege unabhängig vom eigenen Einkommen oder Vermögen besteht. Die Verhinderungspflegeleistungen werden von der gesetzlichen Pflegeversicherung erbracht und stehen unabhängig von anderen Pflegeleistungen wie dem Pflegegeld oder der Tagespflege zur Verfügung.
Tipp: Zusätzlich sei darauf hingewiesen, dass in Fällen, in denen die Voraussetzungen für Verhinderungspflege, wie beispielsweise die vorherige sechsmonatige Pflegezeit, noch nicht erfüllt sind, die Möglichkeit besteht, auf die Kurzzeitpflege zurückzugreifen. Die Kurzzeitpflege ermöglicht die Betreuung des pflegebedürftigen Menschen durch Fachpersonal in einer stationären Einrichtung, während die Pflegeperson eine Auszeit benötigt. Diese Art der Betreuung bietet eine vorübergehende Lösung, auch wenn die Pflegeperson den erforderlichen Zeitraum von sechs Monaten häuslicher Pflege noch nicht erreicht hat.
Wer kann die Verhinderungspflege durchführen?
Verhinderungspflege kann entweder in der häuslichen Umgebung oder in einer stationären Einrichtung stattfinden. In der häuslichen Pflege ist es unerheblich, ob die Ersatzpflege von einer Privatperson oder einer professionellen Pflegekraft geleistet wird. Bei der stationären Pflege erfolgt die Verhinderungspflege immer in einem Pflegeheim. Die Entscheidung, welcher Ansatz gewählt wird, hängt letztendlich vom Bedarf und den Wünschen der pflegebedürftigen Person ab.
Die Ersatzpflege kann von folgenden Personen geleistet werden:
- Verwandte
- Angehörige
- Nachbarn
- Freunde oder Bekannte
- Personal eines Pflegeheims
- Personal eines ambulanten Betreuungs- oder Pflegedienstes
Wichtig: Die Verhinderungspflege kann nur von Personen durchgeführt werden, die nicht als offiziell registrierte Pflegeperson bei der zuständigen Pflegekasse gemeldet sind. Wenn sich beispielsweise Geschwister die Pflege ihrer Mutter teilen und sich gegenseitig vertreten, zahlt die Pflegekasse kein Verhinderungspflegegeld.
Die Höhe der Leistungen im Überblick
Die Leistungen, die von der Pflegeversicherung beansprucht werden können, hängen von einem wichtigen Unterschied ab, der in zwei grundlegende Optionen unterteilt werden kann:
Option 1: Ersatzpflegeperson nicht verwandt oder verschwägert:
In diesem Fall handelt es sich um eine Ersatzpflegeperson, die mit der pflegebedürftigen Person nicht bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert ist. Dies können beispielsweise professionelle Pflegekräfte, Nachbarn oder Bekannte sein. Wenn diese die Pflege übernehmen, erstattet die Pflegeversicherung bis zu 1.612 Euro pro Jahr für Pflegekosten und Fahrtkosten.
Zusätzlicher Tipp: Wenn dieser Betrag nicht ausreicht, besteht die Möglichkeit, zusätzlich ein Kurzzeitpflege-Budget in Höhe von maximal 806 Euro in Anspruch zu nehmen. Somit kann eine jährliche Gesamtsumme von maximal 2.418 Euro für die Verhinderungspflege genutzt werden.
Option 2: Ersatzpflegeperson verwandt oder verschwägert:
In diesem Szenario ist die Ersatzpflegeperson bis zum zweiten Grad mit der pflegebedürftigen Person verwandt oder verschwägert. Dann Fall stehen nicht die zuvor genannten 1.612 Euro für die Verhinderungspflege zur Verfügung. Stattdessen wird maximal der 1,5-fache Satz des Pflegegeldes ausgezahlt.
Der Betrag steigt entsprechend mit dem Pflegegrad. Beispielsweise erhalten Sie bei:
- Pflegegrad 2: 474,00 Euro
- Pflegegrad 3: 817,50 Euro
- Pflegegrad 4: 1.092,00 Euro
- Pflegegrad 5: 1.351,50 Euro
Allerdings haben Sie die Möglichkeit, das Verhinderungspflege-Budget auf bis zu 1.612 Euro pro Jahr aufzustocken. Dafür müssen Sie jedoch nachweisen können, dass die Ersatzpflege mit erhöhten Fahrtkosten oder Verdienstausfall verbunden ist. Das optionale Budget beträgt daher beispielsweise bei:
- Pflegegrad 2: 1.138,00 Euro
- Pflegegrad 3: 794,50 Euro
- Pflegegrad 4: 520,00 Euro
- Pflegegrad 5: 260,50 Euro
Zusätzlich besteht die Möglichkeit, bis zu 806 Euro Kurzzeitpflege-Budget jährlich für die Verhinderungspflege zu verwenden. Somit liegt der maximale Betrag auch hier bei 2.418 Euro. Beachten Sie jedoch, dass der Erhalt dieser Summe in diesem Szenario deutlich weniger wahrscheinlich ist.
Wer bekommt das Geld für die Verhinderungspflege?
Im Regelfall wird das Geld der Verhinderungspflege auf das Bankkonto der pflegebedürftigen Person überwiesen. Mit diesem Geld können die nachgewiesenen Ausgaben gedeckt werden.
Wenn die Ersatzpflege hingegen von einem ambulanten Pflegedienst oder einem Betreuungsdienst übernommen wird, haben diese die Möglichkeit, die Verhinderungspflege direkt mit der Pflegekasse abzurechnen.
Verhinderungspflege beantragen
Sie können den Antrag für Verhinderungspflege problemlos bei der Pflegekasse der pflegebedürftigen Person stellen. Idealerweise nehmen Sie dazu telefonisch oder schriftlich Kontakt mit der Pflegeversicherung auf, sobald Sie den Bedarf erkennen. Wenn Sie beispielsweise einen Urlaub planen, sollten Sie für diese Zeit direkt die Ersatzpflege beantragen.
Hinweis: Falls eine vorherige Planung nicht möglich war, können Sie Verhinderungspflege auch rückwirkend beantragen. Dies kann hilfreich sein, wenn Sie spontan verreisen möchten oder plötzlich erkranken.
Unterschied zwischen Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege
Verhinderungspflege ist eine Leistung, die es pflegenden Angehörigen ermöglicht, eine Auszeit zu nehmen, wenn sie vorübergehend an der Pflege gehindert sind, beispielsweise wegen Urlaub oder Krankheit. Dabei übernimmt eine Ersatzperson die Pflege zu Hause oder in einer stationären Einrichtung.
Kurzzeitpflege hingegen ist eine vorübergehende Unterbringung und Betreuung in einer stationären Einrichtung, wenn die häusliche Pflege vorübergehend nicht möglich ist, beispielsweise aufgrund einer Krankheit oder wenn die Pflegeperson selbst eine Auszeit benötigt.
Der Hauptunterschied besteht darin, dass Verhinderungspflege die Pflegeperson entlastet, indem eine Ersatzperson für einen begrenzten Zeitraum einspringt, während Kurzzeitpflege eine vorübergehende stationäre Unterbringung des Pflegebedürftigen darstellt.